Überlebenskünstler: Moose sind wahre Wunderpflanzen! (2024)

Überlebenskünstler: Moose sind wahre Wunderpflanzen! (1)

von Rainer Harf

4 Min.

Moose sind höchst erstaunliche Pflanzen: Sie kommen teils jahrelang ohne Flüssigkeit aus, gedeihen selbst dort, wo andere Gewächse nicht überleben – und sind überraschend artenreich

Wie weiche grüne Teppiche bedecken sie den Boden des Waldes. Auf umgestürzten Baumstämmen bilden sie flauschige Flecken. Und zuweilen sind sie die einzigen Pflanzen, die selbst auf schroffen Felsen scheinbar mühelos gedeihen: Moose gehören für uns zum vertrauten Bild wilder Natur. Zudem ist es angenehm, wenn bemooster Grund abseits der Wege unsere Schritte sanft federn lässt.

Vielfach schauen wir uns die grünen Polster eher aus der Ferne an, denn für die meisten von uns sieht ein Moos aus wie das andere. Doch weit gefehlt. Wer sich genauer mit Moosen beschäftigt, wird eine erstaunliche Vielfalt entdecken.

Das Weißmoos etwa liegt wie ein kuscheliges, sauber abgegrenztes Kissen auf dem Waldboden: Die dicht an dicht gedrängten grünlich blauen Stängel wirken fast, als hätte man sie säuberlich vom Zentrum zu den Seiten hin gekämmt.

Das Zypressen-Schlafmoos mit seinen schmalen Blättchen und den filigranen Verzweigungen der Triebe ähnelt dagegen der Miniaturversion eines Nadelbaums – der namensgebenden Zypresse.

Moose stellen weltweit mehr als fünf Prozent aller Pflanzenarten

Das Brunnenlebermoos wiederum wächst in hauchdünnen Läppchen, die mit becherförmigen Gebilden übersät sind. Das Zweizähnige Kammkelchmoos schlängelt seine länglichen blassgelben Triebe über morsches Holz. Und wie grüne Dreadlocks stehen die zentimeterkurzen Pflänzchen des Purpurstieligen Hornzahnmooses zusammen – überragt von Hunderten purpurfarbenen Stielchen, die dem Gewächs von Weitem einen rötlich braunen Farbton verleihen.

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Allein in Europa wachsen rund 2000 Arten. Weltweit sind es vermutlich bis zu 20 000 – das sind mehr als fünf Prozent aller bekannten Pflanzenspezies.

Moose siedeln überall dort, wo Pflanzen wachsen; oft sind sie sogar die ersten (oder auch einzigen), die einen Lebensraum erschließen.

Doch trotz ihrer enormen Vielfalt und ganz gleich, ob sie in den Tropen, in Alaska oder in Europa wachsen: Moose werden nicht sehr groß, kaum eines erreicht mehr als 15 Zentimeter Höhe (eine Ausnahme bildet das Goldene Frauenhaarmoos, das bis zu 70 Zentimeter emporwächst).

Um an Wasser zu gelangen, bedienen sich die kleinen Pflanzen eines genialen Tricks

Die typische Zierlichkeit der Moose liegt zum einen daran, dass sie nicht imstande sind, den Stoff Lignin zu bilden – jene Substanz, die dem Holz von Bäumen seine Festigkeit verleiht.

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Zum anderen fehlt ihnen ein ausgeklügeltes Gefäßsystem, über das beispielsweise Farne, Blumen, Sträucher oder Bäume Wasser von den Wurzeln bis hinauf in die Blätter pumpen.

Anstatt die Leben spendende Feuchtigkeit mit Wurzeln aus dem Boden zu saugen, nutzen viele Moose einen genialen Trick: Fällt Regen auf ihre Blättchen und Stängelchen, nehmen sie das Wasser (und darin gelöste Minerale) mit ihrer gesamten Oberfläche auf. In ihrem Inneren fließt das Nass dann einfach zwischen den Zellen in alle Bereiche ihres Pflanzenkörpers.

Dieser ebenso einfache wie raffinierte Mechanismus macht Moose zu wahren Anpassungsmeistern: Die unkomplizierte Wasseraufnahme erlaubt es ihnen, selbst auf schlechten Böden zu siedeln – und sogar auf blankem Gestein.

Wenn es regnet, erwacht manches scheintote Gewächs in Minuten wieder zum Leben

Nicht wenige Moose können zudem lange Trockenzeiten überdauern, zum Teil über Jahre. Dabei verlieren sie nach und nach fast jede Flüssigkeit, stellen ihren Stoffwechsel nahezu ein und schrumpeln gräulich in sich zusammen. Wenn es dann wieder regnet, saugt sich das scheintote Gewächs mit Wasser voll, ergrünt binnen kurzer Zeit und erwacht erneut zum Leben.

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Bis zum 20-Fachen ihres eigenen Gewichtes können manche Moose an Wasser aufnehmen. Oft geben sie mit der Zeit einen Teil der gespeicherten Flüssigkeit an den umliegenden Waldboden ab, sodass der nicht so rasch austrocknet.

Deshalb spielen die grünen Polster eine bedeutende Rolle im Wasserhaushalt des gesamten Waldes. In den weichen Matten sammeln sich zudem Staub und andere feine Partikel – und daraus entsteht dann ganz allmählich neuer fruchtbarer Boden.

In felsigen Gegenden, in denen anfangs nur Moose siedeln können, sind es die kleinen Pioniere, die durch ihre Eigenschaft als Bodenbildner anderen Pflanzen, etwa Farnen oder blühenden Gewächsen, den Weg zum Keimen bereiten.

Fast seit einer halben Jahrmilliarde leben Moose auf der Erde

Moose mögen im Vergleich zu einer Fichte, einer Rose oder einem Haselstrauch unscheinbar und recht einfach aufgebaut sein. Doch für die Ökosysteme spielen sie eine überaus wichtige Rolle – und ihr biologischer Erfolg zeigt sich nicht zuletzt daran, wie lange sie schon auf der Erde existieren: So lebten die ersten Urmoose bereits vor rund 475 Millionen Jahren. Vermutlich sind sie aus Algen hervorgegangen, die es geschafft hatten, Uferzonen zu besiedeln.

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Erst viele Jahrmillionen später sind, wahrscheinlich aus einem Zweig der Moose, höher entwickelte Pflanzen entstanden: Gewächse, die Lignin herstellen und mit ihren verholzten Sprossen deutlich höher aufschießen konnten. Die ersten Bäume wurzelten dann vor 385 Millionen Jahren.

Die Moosmatten und -polster, die wir so oft im Schatten von Bäumen sehen, gab es also lange bevor die ersten Wälder auf der Erde gediehen.

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